2006: Alpen
Im Jahre 2006 machten wir die Alpen unsicher. Weil uns bei den vorangegangenen Touren die Autobahnetappen sehr angenervt hatten und wir uns von einem Autozug nicht abhängig machen wollten, planten wir diesmal die Tour komplett über Landstraße. Von dem Punkt an, bei dem wir uns trafen, bis zu dem Punkt, an dem wir uns trennten, sind wir also fast keinen Meter Autobahn gefahren. Treffpunkt und „Trennpunkt“ war diesmal Bad Melsungen.
Diese Tour hat gleich mehrere Rekorde aufgestellt. Es waren definitiv die meisten Kurven, die wir auf einer Tour gefahren sind. Wenngleich recht viele davon Serpentinen-Haarnadelkurven waren. Und es hat auf der gesamten Tour nur ein einziges Mal Niederschlag gegeben. Das war auf dem Stilfser Joch, wo es etwa zehn Minuten aus blauem Himmel geschneit hat 😉
Auf dieser (anklickbaren) Übersichtskarte sieht man das Gebiet, in dem wir uns getummelt haben. Los ging es am 9.6.06, wir trafen uns in Bad Melsungen. Der Ort hat den großen Vorteil, daß jeder von uns dieselbe Entfernung bis zu ihm zurücklegen muß. Vor dem Treffen standen also etwa 170 km Autobahn, dann war’s das aber mit der Autobahn.
Die Tour war von uns im Vorfeld genau vorgeplant worden. Dank des Garmin 276C, den ich mir im August 05 zugelegt hatte, konnten wir die Tour dann ohne permanent auf die Karte schauen zu müssen abfahren. Erstens schafft man so längere Tagesetappen (Zeitersparnis), zweitens kann man so auch mal eine Straße fahren, die man sonst vielleicht ausgelassen hätte, weil man fünf Kilometer weiter sowieso wieder anhalten und die Karte zu rate ziehen muß.
Dank des GPS haben wir nun auch Höhenprofile, anhand derer man auch schon schnell die interessantesten Fahrtage erkennen kann. Ein weiterer netter Effekt ist die Nachvollziehbarkeit der Tour in Google Earth. Nebenstehender Screenshot zeigt, wenn man ihn anklickt, die komplette Tour, dabei sind die einzelnen Tage abwechselnd farblich markiert. Wer sich das selbst ansehen möchte: Erstens Google Earth installieren, zweitens in Google Earth per Datei – öffnen, hier als Erweiterung gpx auswählen, dann diese Datei (rechte Maustaste, Speichern unter) laden. Hier kann man die Tagestouren genau nachfahren – was mir eine genauere Beschreibung der Tagesetappen erspart. Hier also nur noch Zusammenfassungen.
Tag 1, 9.6.2006
Erste Etappe. Nachdem wir uns in Melsungen getroffen hatten, fuhren wir viele gelbe und wenige rote Straßen unter Vermeidung der großen Städte durch herrliche Gegenden bis nach Eppingen. Wir durchquerten dabei Rhön, Spessart, Odenwald und erreichten den Schwarzwald. In Eppingen suchten wir ein Weilchen und fanden dann das Waldhotel Villa Waldeck (49° 7’52.25″N, 8°55’41.40″E). Sehr empfehlenswert, nette große Zimmer, gutes Essen. Leider mit knapp 50 Euro pro Nase im Einzelzimmer nicht ganz billig. Es gab einen Fernseher auf dem Zimmer, so daß wir dort die zweite Halbzeit des ersten Spieles Deutschlands bei der WM 2006 schauen konnten.
346 km plus Anfahrt nach Melsungen.
Tag 2, 10.6.2006
Die Etappe des zweiten Tages war ein Traum. Immer schon wollte ich in den Schwarzwald, jetzt sind wir – sicher nicht das letzte Mal – durchgefahren. Leider war es ein Samstag und bei fantastischem Wetter hatten auch andere schon diese Idee. Aber die Straßen dort sind ein Traum, die Kurven genau nach unserem Geschmack. Wunderbar.
Übernachten wollten wir eigentlich in Aarau. Leider war dort wegen irgendeines Festes alles voll, und zwar inklusive der Nachbarorte. So fuhren wir also ein Stück der für den nächsten Tag geplanten Strecke einfach weiter und landeten im Gasthof „Zur Sonne“ in Reinach. Leider waren die Zimmer gar nicht so sonnig. Schimmel an der Wand, Kühlschrank im Badezimmer, Duschkabine, die den Namen nicht verdient. Andy hatte noch mehr Pech, er hatte nämlich das Zimmer mit dem großen Flur erwischt. So nannten wir es fortan, wenn das Zimmer nur ein Waschbecken hatte und man für Dusche und WC über den Flur mußte. Wenn das wenigstens billig gewesen wäre … nein, war es nicht.
400 km.
Tag 3, 11.6.2006
Nach einer eher langweiligen Strecke durch die Nordschweiz ging es endlich mit den Pässen los. Susten, Grimsel, Furka, Göschenen, Tremola, Oberalp bis Sedrun/Rueras. Diese Pässe kennt man. Obwohl es ein Sonntag war, war es erstaunlich fahrbar, diese Pässe sind zwar sehr bekannt, aber wesentlich weniger besucht als z.B. die Sellagruppe, die wir ein paar Tage später erfuhren. Das Wetter war der Hit. Blauer Himmel, blauer Himmer, blauer Himmel. Warm. Geil.
Oben auf den Pässen fand man noch einiges an Schnee, was Andy auf die Idee brachte, den Moped-Schneemann zu bauen.
Tremola ist die alte Pass-Straße, an der heute alle per St. Gotthard vorbeibrettern. Man sollte sich die Zeit nehmen und trotzdem mal die alte Straße fahren. Wegen superengen Kehren und Kopfsteinpflaster rate ich davon bei schlechtem Wetter allerdings ab.
Übernachtet haben wir im Hotel Cresta, Sedrun/Rueras (46°40’15.78″N, 8°44’38.71″E). Sehr gut gegessen haben wir und ausgezeichnet übernachtet. 65 Franken pro Zimmer ist auch ok, und der Ausblick von der Terasse ist unschlagbar.
315 km.
Tag 4, 12.6.2006
Der Tag mit den interessantesten Aussichten. Die Strecke führte, mit einem Süd-Schlenker nach Osten, bis nach Savognin. Bei Olivone, recht bald nach unserer letzten Übernachtung, bogen wir auf eine sehr kleine Straße ab, um einen Blick auf den Lago die Luzzone zu werfen. Ein tiefblauer Stausee, durch (!) dessen Staumauer ein einspuriges Sträßlein führt. Wegen der fehlenden Einsehbarkeit ist der Verkehr dort per Ampel geregelt, aber das Warten lohnt sich. Durch eine Staumauer zu fahren ist ein Erlebnis, auf der anderen Seite die noch kleinere Straße bis zum nächsten Mini-Stausee (der in der Karte des GPS gar nicht mehr verzeichnet war) ist lohnenswert. Weiter oben gibt es noch einen einspurigen, langen, nassen Tunnel. Wegen des mangelnden Verkehres gibt es dort auch keine Ampel mehr.
Anschließend haben wir uns einen Cappuccino im Café mit Blick auf den Lago di Luzzone verdient.
Mittag gegessen haben wir auf der Tour nach Möglichkeit draußen. Ein Kanten Käse, ein Brot, Schinken, ein paar Tomaten und etwas (antialkoholisches) zu Trinken machen ein perfektes Mittagessen. An diesem Tag fand das Mittagessen auf einer Insel in einem kleinen Bach am San Bernardino statt. Dann folgte der Übergang nach Italien, Julierpass etc.
Angekommen sind wir dann schließlich in Savognin, wo wir im empfehlenswerten Hotel Romana (46°35’44.85″N, 9°35’39.69″E) abstiegen.
301 km.
Tag 5, 13.6.2006
Erst mal ein kleines Problem: Der Albulapass war gesperrt. Hier wurde eine neue Straßendecke hergestellt und man war nicht gewillt, uns durchzulassen, wahrscheinlich, damit wir keine Rillen in die neue Teerdecke drücken. Also zurück, noch einmal den Julierpass und durch St Moritz. Auf dem Berninapass tranken wir dann in praller Sonne auf 2230 m ü.NN. ziemlich teuren aber leckeren Cappuccino.
Das Highlight des heutigen Tages ist natürlich das Stilfser Joch. Obwohl das fahrerisch eher spektakulär als spaßig ist (sehr enge Kurven, tausende, wie es scheint, sowie schlechter Straßenbelag) und obwohl hunderte von Mopedfahrern die gleiche Idee hatten, ist der Ausflug doch in jedem Fall lohnenswert. Der Ausblick die Ostabfahrt herunter von oben ist atemberaubend. Hier gab es dann auch den Höhenrekord der Tour: 2779 m ü. NN. (GPS-Wert).
(Stilfser-Joch – Schwenk)
Relativ spät kamen wir dann in Bozen/Bolzano an und landeten wie geplant im Kolpinghaus (46°29’52.27″N, 11°21’2.19″E). Das ist weder besonders billig (50 Euro/Nase/Nacht im EZ) noch besonders schick. Aber es liegt mitten in der Stadt, so daß man fußläufig gut alles erreichen kann und es gibt eine Tiefgarage für die Mopeds. Hier blieben wir zwei Nächte.
329 km.
Tag 6, 14.6.2006
Der Tag der Rundtour. Weil wir im Kolpinghaus noch eine Nacht bleiben wollten, ging es heute Richtung Süden. Der Passo di Manghen ist einer der schönsten Pässe, die ich gesehen habe. Eine sehr schmale Straße schlängelt sich auf 2047 m ü. NN., dabei hält man aber zwangsläufig dauernd an, weil sich alle paar Meter wieder eine neue fantastische Aussicht auftut.
Mittlerweile befinden wir uns in den Dolomiten. Tolle Ausblicke und eine ganz andere Sorte Berge gibt es hier, viel schroffer und steiler als in den Westalpen. Sehr viele kleine Pässe (bspw Passo Vezzena, 1402 m ü.NN.) sieht man, meistens war es zumindest im Juni sehr leer. Eine herrliche Gegend zum Motorradfahren – sofern man die Sellarunde (siehe nächster Tag) auslässt.
Abends in Bolzano schauten wir in einer Pizzeria draußen sitzend das WM-Spiel Deutschland – Polen.
314 km.
Tag 7, 15.6.2006
Von Bolzano aus fuhren wir Richtung Osten. Die berühmte Sellarunde (hier natürlich nicht im Sinne des Skifahrers sondern als Mopedfahrer gemeint) hatte es uns angetan. So tolle Straßen, so tolle Kurven, tolle Gegenden. Na gut, letzteres zumindest stimmt 😉
Leider sind die Straßen in dieser Gegend aus irgendwelchen Gründen enorm rutschig. Ich habe an dem Tag schon zwei Mopedfahrer in Kurven stürzen sehen, weil das Vorderrad den Grip verloren hatte. Manche machten sich das zu nutze, um im Drift um die Kurven zu sliden – hmm, nicht meine Sache. Auch haben wir an dem Tag die absolut meisten Mopedfahrer gesehen. Jedenfalls waren wir froh, als wir von der Sellarunde wieder runter waren.
Richtig schön wurde es danach bei der Fahrt durch diverse Nationalparks mit dem landschaftlich schönsten Höhepunkt Passo Stalle = Staller Sattel. Diese Straße ist nun wirklich schmal, so schmal, daß der Verkehr in jede Richtung nur jeweils eine Viertelstunde per Ampel losgelassen wird. Also: Kein Gegenverkehr. Wir hatten Glück, daß wir kurz vor Grün dort ankamen und so nur fünf Minuten warten mußten. Österreich hat uns nun wieder.
Untergekommen sind wir wie geplant im Gasthaus Brennsteiner (47°17’41.74″N, 12°25’57.92″E) mit herrlichem Blick über die Kitzbühler Alpen. Hier kann man für kleines Geld wunderschön übernachten und gut essen.
305 km.
Tag 8, 16.6.2006
Der langweiligste Tag der Tour. Sollte jemand diese Tour nachfahren wollen, kann ich nur empfehlen, die Gegend zwischen den Kitzbühler Alpen und dem Allgäu südlich zu umfahren. Meistens geht’s hier geradeaus. Schön wird das erst wieder nördlich von Garmisch, wenn man Richtung Westen auf die gelbe Straße nach Reutte abbiegt.
In Oberjoch, Oberjoch-Pass, kurz vor Hindelang muss man beim Biobauern neben dem Haflingerhof anhalten und mit Käse und frischer Milch Brotzeit machen (47°31’8.95″N, 10°24’28.37″E). So was leckeres …
Übernachten wollten wir eigentlich in Schongau bzw Peiting. Da war aber nix nettes zu finden. Irgendwie ziemlich runtergekommen, diese beiden Nester. Also weiter auf der Strecke, bis wir schliesslich in Blonhofen im Gasthof Rößle landeten. Das ist ein bäuerliches Gasthaus, wo wir die billigste Übernachtung der ganzen Tour tätigten. Für, ich glaube, gerade mal 20 Euro pro Nase im frisch renovierten EZ mit sehr gutem Essen und gefühltem Anschluss an die Stammkundschaft haben wir es sehr gut getroffen. Mit gefühltem Anschluß übrigens meine ich: Man hat mit uns geredet und das sogar auf hochdeutsch. Unter sich allerdings sprach man bayrisch und wir haben nichts, aber auch gar nichts, verstanden. Hier trank man natürlich Bier aus dem 1-l-Maßkrug.
393 km.
Tag 9, 17.6.2006
Gemütliches Prötteln durch Deutschland war angesagt. Schöne Gegenden, immer noch wunderbares Wetter. Einen Abstecher zum Enduropark Hechlingen (BMW verwendet leider Frames, daher kein direktes Verlinken. Bitte auf der BMW-Seite auf Endurotraining klicken) haben wir gemacht und ein Weilchen zugesehen, wie ein Endurotraining abläuft. Vielleicht machen wir das ja auch noch einmal.
Als Unterkunft fanden wir den Landgasthof Neeb in Ebelsbach/Steinbach, am Main. Riesengroße Zimmer, günstige Preise, leckeres Essen (Cheffe ist ehemaliger Metzger). Obwohl dieser Gasthof an einer gut befahrenen Straße liegt, ist er sehr weiterzuempfehlen. Wir haben uns dort sehr wohl gefühlt und werden ihn sicher noch mal aufsuchen, wenn es uns in die Gegend verschlägt.
401 km.
Tag 10, 18.6.2006
Bemerkenswert heute war der Naturpark Rhön, insbesondere die Rother Kuppe. Fast ganz oben steht ein Café mit herrlicher Aussicht – fast wie in den Alpen. Ein würdiger Abschluß einer tollen Tour!
Gegen 14 Uhr waren wir dann wieder in Bad Melsungen. Mittagessen und auf nach Hause.
245 km plus Bad Melsungen nach Hause.
Fazit
Wir sind in zehn Tagen 3872 km gefahren. Schnitt in Fahrt war 64,2 km/h, gemessen während der Tage von Abfahrt bis Ankunft. Gesamtschnitt in derselben Zeit 40,3 km/h. Reine Fahrtzeit (ebenso gemessen) 60h, 19 Minuten. Standzeit 35h, 51 Minuten. Macht zusammen 96h, 11 Minuten. Hach, so ein GPS-Gerät ist doch ’ne feine Sache 😉
Aber mal weniger mathematisch gesehen war diese Tour sicher die interessanteste bisher. Das Wetter hat mitgespielt und, wie eingangs erwähnt, sind wir die meisten Kurven gefahren. Eine äusserst gute Idee ist, auf Autobahnen zu verzichten und von vornherein kleine Landstraßen zu fahren. Vernünftig ist das aber nur mit einem GPS-Gerät zu machen.
Nochmal? Ja, sicher. Was ich dabei anders machen würde: Ich würde von Bolzano aus Richtung Süden weiterfahren. Am Alpensüdrand gibt es ein paar sehr interessante Straßen, am Alpensüdrand würde ich wieder gen Westen fahren, um dann etwa auf gleicher Höhe wie bei der Hinfahrt wieder nach Norden zurückzufahren. Das streift allerdings die Norditalienischen Seen und kann insofern teuer werden.
Wenn sich jemand für diese Tour interessiert und die Garminrouten haben möchte: Mail genügt.
Auf die Kurve!